Troisdorf besitzt über 100 historische Fachwerkhäuser. Sie werden auf dieser Seite in kurzen Bildportraits vorgestellt

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Impressum

Rheinstraße 78

Eschmar

Rheinstr-78-102

 

Bauart

Stockwerkbau, 2 Gebäude zu L-Form kombiniert, Treppenhausanbau

Fassade

Vorderhaus mit Geschoßstreben, Hinterhaus mit Fußstreben; Fachwerk in EG seitlich und hinten teilweise durch Ziegelmauerwerk ersetzt; Gefach mit Lehmputz/Kalkputz

Dach

Satteldach, ursprünglicher Krüppelwalm entfernt

Hausöffnungen

Fenster erwas vergrößert, z.T alte Fenstergewände, z.zT keine Verglasung

Zustand

wird z.Zt. restauriert

Geschichte

18. Jh

Literatur

Denkmalliste A-253. Historisches Foto von ca. 1900 in Brodeßer (Troisdorfer Jahreshefte 1983, S.70); Zeichnung aus 1979 in Brodeßer (dto. 1980,S.40)

 

 

Rheinstrasse 78 in Eschmar 

Fährt man auf der Eschmarer Dorfstrasse, die heute als Hauptverkehrsader dient, findet man nur noch wenige der alten bäuerlichen Häuser, die in früherer Zeit das Erscheinungsbild jedes rheinischen Straßendorfes prägten. Das Fachwerkhaus Rheinstrasse 78  ist eines davon. Es steht dort seit über 200 Jahren und zeugt von Baukunst und Lebensweise der ländlichen Bevölkerung im 18. Jahrhundert. Es ist aber nur deshalb nicht verschwunden, weil die Unterschutzstellung als Baudenkmal vor Jahren seinen Abriss verhinderte.  

„Bedeutend für die Geschichte des Menschen, erhaltenswert aus wissenschaftlichen, besonders architektur- und ortsgeschichtlichen Gründen“  So steht es in der Begründung der Denkmalbehörde. Ich will im Folgenden versuchen zu erläutern, was man sich darunter vorstellen kann.

  

(Foto: Jensch)

 

„Das Haus steht gut sichtbar nah an der Straße, was zur Bauzeit den Bedürfnissen entsprach, beim  heutigen Verkehrsaufkommen jedoch nicht gerade ein Vorteil ist. Es besteht aus zwei in L-Form zusammengesetzten Baukörpern, die recht verschieden konstruiert sind, eigentlich nicht recht zusammenpassen und sicher aus unterschiedlicher Zeit stammen. Der vordere, längs der Straße gelegene Flügel, ein Stockwerkbau mit geraden, geschoßhohen Streben wirkt insgesamt moderner als der nach hinten gerichtete Flügel mit seiner Kombination aus gebogenen Fußstreben und kurzen Gegenstreben. Auch die Konstruktionsweise der original erhaltenen Dachstühle unterstützt diesen Eindruck. Vermutlich ist also der hintere, ältere Teil damals durch ein neues oder erneuertes Vorderhaus ergänzt worden.  

Interessante Details werden sichtbar, wenn man die innere Gestaltung der Gebäude vergleicht. Das Vorderhaus zeigt den Aufbau eines zeittypischen Wohnhauses mit der damals für Wohnräume üblichen Deckenhöhe von 2m. Völlig anders stellt sich das Hinterhaus dar, welches im Obergeschoss damals wohl nur einen einzigen quadratischen Raum von 30qm mit einer lichten Deckenhöhe von stolzen 2,60m aufwies. Ganz offensichtlich hat es sich hier also nicht um ein normales bäuerliches Wohnhaus gehandelt. Ein Befund, der mit Blick auf die Eschmarer Dorfgeschichte zu Spekulationen über die mögliche ursprüngliche Funktion veranlassen kann. Es wäre zum Beispiel ein Zusammenhang zum direkt benachbarten ehemaligen Weingut denkbar, welches repräsentative Räumlichkeiten für Weinproben oder für die Bewirtung hoher Gäste benötigte. Der darunter befindliche, mit fast 20 qm recht große, aus Ravensburger Brocken gebaute Gewölbekeller mag ebenfalls auf eine besondere Nutzung hinweisen. Das Haus könnte somit eine interessante Quelle für ortsgeschichtliche Untersuchungen darstellen.

 

Bauweise und Restaurierung 

Das Haus wurde ursprünglich komplett in Fachwerkbauweise aus Eichenholz mit Lehmgefachen errichtet. Im Laufe der Jahrhunderte sind Teile des Erdgeschosses durch Ziegelsteinwände ersetzt worden. Zuletzt geschah dies, nachdem im 2. Weltkrieg die Nordostwand des Hauses durch die Explosion einer Granate beschädigt worden war. Die Spuren der Granatsplitter in den Holzteilen der Fassade sind im Obergeschoss noch heute sichtbar.

In den letzten Jahren wurde das Haus grundlegend restauriert, wobei der Grundsatz galt, die historische Bausubstanz möglichst zu erhalten und die notwendigen Reparaturen in traditioneller Bauweise auszuführen.

 Zur Wiederherstellung der originalen Holzkonstruktion  wurden die nicht mehr vorhandenen Eichenholzschwellen im Erdgeschoss wieder ergänzt und weitere fehlende oder zerstörte Teile des Holzfachwerks durch passende Reparaturstücke ersetzt. Dazu wurden Eichenbalken aus einem 150jährigen Abrisshaus verwendet.

 Von den aus der Erbauungszeit stammenden, aus Flechtwerk und Strohlehm bestehenden Gefachfüllungen konnten über 70% erhalten werden, die übrigen wurden in Lehmbauweise erneuert. Gleiches gilt für die Geschoßdecken aus Lehmwickelstaken. Zusätzlich erhielt das gesamte Haus auf der Innenseite eine Vorsatzwand aus wärmedämmendem Holzleichtlehm, womit es seiner Funktion als baubiologisch gesundes Wohnhaus gerecht werden kann. Außen- und Innenputz wurden nach traditionellem Rezept aus Lehm bzw. auf der Wetterseite aus Sumpfkalk neu hergestellt. Aus nahe liegenden Gründen wurden früher für den ländlichen Hausbau bevorzugt solche Baustoffe benutzt, die lokal verfügbar waren.  Auch bei der Restaurierung wurde nun insofern traditionell verfahren, als der gesamte für die Herstellung der Lehmwände und des Innen- und Außenputzes verwendetet Lehm auf dem eigenen Hausgrundstück ergraben wurde.

 Die Fenster werden gerne als die Augen eines Hauses bezeichnet. Veränderungen daran haben einen großen Einfluss auf das gesamte Erscheinungsbild. Fenster sind ein problematischer Punkt bei der Restaurierung historischer Wohngebäude, da ein sinnvoller Kompromiss zwischen modernen Bedürfnissen und dem Erhalt der historischen Konstruktion leider oft als nicht realisierbar angesehen wird. In der Folge führt das dazu, dass nur selten historische Fenster eine Restaurierung überleben. Bei genauem Hinsehen erwiesen sich die im Hause noch erhaltenen, aus dem 19. Jahrhundert stammenden Sprossenfenster aus Eichenholz dank ihrer Holzdübel-Verbindungen als reparaturfreundlich. Sie wurden durch Austausch einzelner defekter Rahmenteile repariert und konnten so weiter verwendet werden. Durch den zusätzlichen Einbau von Vorsatzscheiben oder Vorsatzflügeln wird eine zeitgemäße wärmetechnische Verbesserung erreicht. Fehlende Fenster wurden anhand der originalen Vorbilder nachgebaut. Im Verbund mit den ebenfalls restaurierten Schlagläden konnte so die konstruktive und optische Originalität bewahrt werden.

 Ursprünglich betrat man das Haus durch eine zur Strasse gelegene Haustür, die heute nicht mehr existiert. Der quer durchs Haus führende Flur ist aber noch erkennbar. Um die ansonsten noch weitgehend dem historischen Zustand entsprechende Raumaufteilung im Inneren des Hauses trotz notwendiger Anpassungen an zeitgemäße Wohnbedürfnisse möglichst nicht zu verändern, wurden Kompromisse gesucht. So wird z.B. die ehemalige Räucherkammer heute als Duschkabine genutzt. Weitere Zugeständnisse an moderne Haustechnik wurden gemacht, daneben aber erfüllen die originalen Zimmertüren und die zweigeschossige Holztreppe weiterhin ihre Funktion. Auch die gemauerte Feuerwand ist noch erhalten, und an der durch Spuren des Kaminzuges erkennbaren Position der ehemaligen offenen Feuerstelle steht heute ein Lehm-Grundofen.

 

Zur Geschichte des Hauses 

Über die Geschichte des Hauses weiß man nicht sehr viel. Wie so häufig im bäuerlichen Leben sind keine schriftlichen Überlieferungen erhalten und das Wissen beschränkt sich also auf Spuren der Nutzung sowie die Erinnerung der noch lebenden Bewohner.

Unter dem Holzfußboden des Wohnzimmers wurden zwei alte Münzen gefunden, ein ¼ Stüber der Grafschaft Wied von 1758 und ein ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert stammender Kölner Heller. Sie sind ein Hinweis darauf, dass das Haus zur Umlaufzeit dieser Münzen sicherlich schon gestanden hat. (Abb.?)

In der Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben die Hausbesitzer eine Ziegelei. Die zum Hof gehörenden Stallungen wurden um 1850 aus dortigen Steinen gebaut, und die zugehörige, als ‚Webers Kuhl’ bekannte Lehmgrube ist noch heute im Jägersgarten zu erkennen. Das Haus soll später auch als Schankwirtschaft gedient haben. Nach Ende des 2.Weltkrieges wohnten zeitweise 4 Parteien gleichzeitig im Haus. Das älteste bekannte bildliche Zeugnis des Hauses ist ein ca. 1930 entstandenes Foto, welches das Haus noch komplett verputzt und mit Hohlpfannendach zeigt. Die inzwischen verschwundene vordere Haustür ist sichtbar, und man erkennt auch die heute noch vorhandenen Schlagläden sowie das eiserne Hoftor (Hinweis Abb.). 

Heute präsentiert sich das Haus Rheinstraße 78 als eine behutsam an die Erfordernisse der modernen Lebens- und Wohnbedürfnisse angepasste, im Wesentlichen aber noch dem alten Plan und der historischen Bauweise entsprechende Konstruktion. Es vermittelt Wissen über traditionelle, noch immer aktuelle biologische Baumethoden und bewahrt Erinnerungen an unsere eigene lokale Geschichte. 

 

Abb.3: Foto ca.1930

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